Julian, 15: Positiv trotz komplizierter OP mit Lokalanästhesie (Ausführlich)

Julian, 15: Positiv trotz komplizierter OP mit Lokalanästhesie (Ausführlich)

In Vorbereitung auf meine OPs habe ich mir hier etliche Erfahrungsberichte durchgelesen. Dabei ist mir aufgefallen, dass die meisten positiven Berichte über OPs mit Vollnarkose oder Dämmerschlafnarkose waren und die HORROR!-Berichte v.a. über OPs mit Lokalanästhesie berichtet haben.
Ich schreibe diesen Bericht hier also v.a., um ein Gegenbeispiel anzubringen und Menschen, die eine OP unter lokaler Betäubung vor sich haben, zu zeigen, dass auch eine komplizierte OP mit örtlicher Betäubung wie meine absolut erträglich sein kann.

Nachdem ich etwa 2,5 Jahre eine lockere Zahnspange getragen hatte, wurde in meiner Zahnarztpraxis erstmals ein GROSSES Röntgenbild von meinem Kiefer angefertigt. Dem  Arzt ist dabei aufgefallen, dass meine vier Weisheitszähne den Erfolg der Behandlung zunichte machen könnten und hat deswegen einen Kieferchirurgen aus seiner Gemeinschaftspraxis mit der Entfernung beauftragt. Ich war zu diesem Zeitpunkt schon sehr beunruhigt, da dies meine erste OP war und ich doch recht aufgeregt war.

Weisheitszahn_Röntgenbild_Julian

Röntgenbild nach der ersten OP. Links: Rechte Gesichtshälfte. Gut sichtbar: Loch des unteren Weisheitszahns, Loch des Zahnkeims, Nerv (Dünner Strich im Kieferknochen). — Rechts: Linke Gesichtshälfte. Gut sichtbar: Beide Weisheitszähne und oben der 9er.

Ziemlich bald kamen jedoch noch schlechtere Nachrichten. Der Operateur hat sich das Röntgenbild angeschaut und dabei festgestellt, dass sich hinter meinen oberen Weisheitszähnen noch weitere Zähne befanden, sogenannte „9er“ oder „Distomolaren“. Die sollten auf keinen Fall dort sein, sind wohl nur bei 0,5% – 2% (unterschiedliche Angaben) der Bevölkerung vorhanden und mussten unbedingt mit entfernt werden. (Zitat Operateur: „Oh mein Gott sitzen die weit oben!“) Diese sind zwar immer eher klein und rundlich, dennoch ist die Gefahr bei deren Entfernung, dass die Kieferhöhle leicht eröffnet werden kann, was schlimme Komplikationen hervorrufen kann.

Außerdem steckte in meinem Kiefer, ein überzähliger Zahnkeim unten rechts, zwischen dem 5. und dem 6. Zahn. Das sei keine große Sache, die würde man auch gleich mit rausmachen. Zu allem Überfluss stellte er noch fest, dass der linke untere Weisheitszahn gefährlich nah an den Nerv heranreichte und die Verletzungsgefahr sehr hoch war. Das war der Punkt, wo er aufgegeben hat, weil ihm die OP zu heikel gewesen wäre, und er mich zu einem doppelt promovierten Gesichtschirurgen und Implantologen geschickt hat. Mir geisterten zu diesem Zeitpunkt schon Horrorvorstellung von einer Vollnarkose durch den Kopf. Dieser hat dann aber festgelegt, dass die Entfernung in zwei Sitzungen unter Lokalanästhesie gemacht werden würde; erst die rechte, dann die linke Seite.
Am fraglichen Tag bin ich dann sehr aufgeregt von meinen Eltern in die Praxis gefahren worden. Zuerst hat mich de Schwester für die OP vorbereitet: Sie hat mir eine Art Plastikschürze umgelegt, damit alles sauber bleibt, mich mit einer desinfizierenden Flüssigkeit gurgeln lassen und mir eine pulsoximetrische Fingerklemme (falls man das so nennt) angelegt, dass sie merkt würde, wenn ich kurz vorm umkippen wäre. Der Chirurg kam dann sehr schnell und hat dann 4-5 Spritzen gesetzt. Diese waren insgesamt das Schlimmste an der ganzen OP. Hat teilweise für einen kurzen Moment sehr weg getan und seltsam geknirscht. Ich möchte hier aber auch keine Angst machen, ich habe mir sagen lassen, dass das von Arzt zu Arzt unterschiedlich sein kann; ich habe wohl einen Brutalen erwischt. Nachdem die Spritzen das Wirken angefangen haben, hat er sehr zügig mit der OP begonnen.
Warnung: Auch wenn das Folgende sehr schlimm und gruselig klingt, ich habe es NICHT als schlecht oder gar als schmerzhaft empfunden.
Zuerst wurde der untere Weisheitszahn entfernt. Beim Schnitt mit dem Skalpell habe ich an der Stelle absolut nichts gespürt, nur das „fleischige Knirschen“ habe ich gehört, war aber nicht weiter wild. Dann kam der Knochenbohrer zum Einsatz. Der hat zwar meinen ganzen Kopf zum Dröhnen gebracht, aber außer einem verbrannten Geschmack habe ich auch hier nichts Unangenehmes gemerkt. Als er den Zahn sehen konnte, hat er diesen mit einer Zange (leider nicht im Ganzen) herausgebrochen. Das Knacken und Knirschen im eigenen Kopf kann zwar einen zwar beunruhigen, aber auch hier: Kein Schmerz. So ging das mit dem anderen Weisheitszahn, dem 9er dahinter und dem Zahnkeim weiter. Dieser wollte erst nicht so recht, ließ sich aber nach etwas stärkerem Ziehen und Drücken schließlich auch entfernen.

Vor dem Vernähen der Wunden wurde mir noch ein iodoformgetränkter Streifen gegen Infektion in die untere Wunde gelegt. Dann wurden sie zugenäht, davon habe ich auch nichts weiter mitbekommen und das wars dann im Grunde auch „schon“ gewesen. Einen Wattebausch habe ich noch zum Draufbeißen bekommen und geröntgt wurde ich auch noch. Das Bild füge ich dem Bericht an.

Zuhause angekommen, habe ich versucht, die Schmerzen so lange wie möglich auszuhalten, musste aber schließlich doch eine Schmerztablette (Ibuprofen 400mg) nehmen. Insgesamt waren die folgenden Tage mit Schmerztabletten und Kühlen (Kühlakku in angefeuchteten Lappen) auszuhalten. Eine dicke Hamsterbacke hatte ich für etwa eine Woche, aber am zweiten Tag konnte ich schon wieder weiche Dinge kauen. Der Iodoformstreifen wurde am übernächsten Tag entfernt, die Fäden nach einer Woche (hat nicht wehgetan).

Bei der zweiten OP, etwa 3 Wochen später, wurden die restlichen 3 Zähne entfernt.
Alles lief hier so ziemlich gleich ab, nur die Spritzen habe ich hier als noch schlimmer empfunden, die Nachwirkungen aber als weniger schlimm (Keine Schmerztabletten (!) und kaum geschwollene Backe; dies führe ich auf die größere Entfernung des linken Weisheitszahns zum Nerv zurück).

Abschließend, nach der Entfernung von 7 (!) Zähnen, kann ich sagen, dass selbst diese so schwere OP unter Lokalanästhesie erträglich war.

Tipps:

  • Gut kühlen
  • Lieber mehr Tabletten als weniger, gerade die Nächte können schmerzhaft  sein
  • Vorsichtig Zähneputzen mit einer weichen Zahnbürste noch am OP-Tag

 

Achtung: Durch den herausgezogenen Iodoformstreifen sind mir unten hinten zwei Löcher, gewissermaßen Hauttaschen (etwa 3mm*3mm groß und 7mm-10mm tief) geblieben, die nur langsam zuwachsen (nach meinem Arzt normal, kann aber Monate dauern). Da hängen sich gerne Speisereste rein und das war bei mir wohl auch der Fall. Da ich es erst nicht bemerkt habe, waren die da recht lange drin und irgendwann hat es auch dementsprechend geschmeckt. Also diese gut ausspülen (ich mache das mit einer Spritze ohne Nadel und warmem Wasser, anfänglich gemischt mit Mundwasser).

Ansonsten danke, dass du bis hier hin gelesen hast und viel Erfolg und Durchhaltevermögen für die eigene OP! 😀



Hinterlasse einen Kommentar:

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert